Wallfahrtskirche Maria Straßengel bei Graz: Das Kirchengebäude
Außer dem Kirchturm im Nordosten wird beim Fernblick von Norden ein weiterer Turm sichtbar. Über der Friedrichskapelle befindet sich der von einem Spitzhelm bekrönte Glockenturm.
Große spitzbogige Fensteröffnungen in der Südwand und schmale Fenster in der Chorpartie bewirken die Aufschließung der Mauermasse.Zwei Spitzbogenportale mit bedeutsamen Tympanareliefs aus dem 14. Jahrhundert führen in das Innere der Wallfahrtskirche.
Türme und Fenster
Außer dem Kirchturm im Nordosten wird besonders beim Fernblick von Norden her noch ein weiterer Turm sichtbar. Über einen gotischen Treppenturm, der an der Nordwestecke aus der Fassade vortritt, sind durch eine steinerne Spindeltreppe die Empore und der Dachstuhl erreichbar. Der über der Friedrichskapelle errichtete dreigeschoßige, von einem Spitzhelm bekrönte Glockenturm wurde 1828 erhöht. Die Chorpartie erinnert schon beim Anblick von außen in ihrer Staffelung der drei polygonal schließenden Apsiden an den Chor von St. Stephan in Wien. Die stufenweise zurückgetreppten, mit Dreiecksgiebeln abgeschlossenen Strebepfeiler waren bis zum Ende des 19. Jahrhunderts mit steinernen Kreuzblumen bekrönt. Ein Kaffgesims, das in der Höhe der Fenstersohlbänke verläuft, dient zur Wasserabweisung und ist zugleich ein horizontales Gliederungselement.
Große spitzbogige Fensteröffnungen in der Südwand und schmale Fenster in der Chorpartie bewirken die Aufschließung der Mauermasse und bestimmen eindrucksvoll die Lichtführung des Innenraumes. Im westlichen Joch ist im Emporengeschoß ein Maßwerkfenster in Form eines auf die Spitze gestellten, sphärischen Quadrats eingeschnitten. Eine weitgespannte Fensterrose – die als Symbol Mariens zu deuten ist – akzentuiert die glatte Westfassade.
Die beiden Portale und ihre Tympanareliefs
Zwei Spitzbogenportale mit profiliertem Gewände und hohen Fialen führen in das Innere; ihre Tympanareliefs zählen zu den bedeutendsten Leistungen der Reliefkunst des 14. Jahrhunderts in Österreich. Das Tympanonrelief des Westportals zeigt die Darstellung der „Verkündigung an Maria“. Maria kniet in einem „Raum“, der durch einen mittels Fialen gerahmten Kielbogen, durch ein Betpult, eine Vase und ein Bücherkästchen angedeutet ist. Die ungewöhnlich großen Flügel des Erzengels Gabriel füllen den linken Bildteil, das S-förmige Spruchband verbindet die beiden Reliefhälften. Symbolische Hinweise bereichern die Szene. Die Siebenzahl der Bücher kennzeichnet Maria „als Meisterin in allen sieben freien Künsten“ und als Besitzerin der sieben Gaben des Heiligen Geistes; die heilige Siebenzahl tritt auch in zweimaliger Anordnung am Maßwerkfries oberhalb des Türsturzes auf. Die Lilie in der Vase verweist wie das Tuch auf dem Betpult auf die Reinheit und die Jungfräulichkeit Mariens. Verkündigung an Maria Die als königliche Braut gekrönte Jungfrau kniet vor dem Betpult mit dem aufgeschlagenen Psalter. Sie empfängt zugleich mit der Botschaft des Engels den Heiligen Geist und das Jesuskind, das aus dem Mund Gottvaters herabgesendet wird; diese Darstellung symbolisiert eindrucksvoll die Stelle der Heiligen Schrift „Und das Wort (Gottes) ist Fleisch geworden ...“ (Joh 1,14).
Das Tympanonrelief des Südportals, das ebenfalls vom Meister des Verkündigungsreliefs stammt, zeigt in einer ergreifenden Schilderung die „Beweinung Christi“ nach der Kreuzabnahme, wobei die Beweinungsszene mit dem Andachtsbild der Marienklage verbunden ist: Maria sitzt auf einer Bank und drückt in tiefem Schmerz mit beiden Händen den von der Todesstarre geprägten Körper ihres Sohnes an sich, während der kniende Joseph von Arimathia mit einem Tuch die Füße Christi vom Todesschweiß zu trocknen scheint; unter dem gegabelten Astkreuz – es ist dies ein Symbol des Lebensbaumes – stehen Johannes der Evangelist, Maria Salome und Maria Magdalena. In der Kreuzblume des Südportalgiebels befindet sich die vollplastische Darstellung des Pelikans, der sich mit seinem Schnabel die Brust verletzt, um mit dem Blut seine drei toten Jungen zum Leben zu erwecken. Diese Wiedergabe ist dem „Physiologus“, einer Schrift aus dem 2. Jahrhundert, die Tiere und Pflanzen in einen theologischen Zusammenhang bringt, entnommen und ist Symbol für den Opfertod Christi.
Würdigung:
In den beiden Straßengler Tympanareliefs wird die heilsgeschichtliche Aufgabe Mariens durch die Annahme der Verkündigungsbotschaft und ihren Anteil an der Passion Christi dargestellt und somit die ganze Weite menschlichen Daseins von der Geburt bis zum Tode dem Pilger vor Augen geführt; über dem Golgathageschehen weist jedoch der Pelikan als Auferstehungssymbol Christi auf dessen Erlösungswerk hin.