Eine kurze Baugeschichte
Als Residenzstadt der Ottokare (auch: Otakare) gewann die Stadt Steyr, strategisch günstig am Zusammenfluss von Steyr und Enns gelegen, bereits vor dem Jahre 1000 an Bedeutung.
Nachdem die Stadt auch Hauptstadt der Steiermark geworden war, wurde Steyr im Mittelalter durch Eisenhandel und Eisenbearbeitung zur mächtigsten und wichtigsten Stadt ob der Enns. Aus dieser Zeit stammt auch die erste schriftliche Nennung eines Kirchenbaues „ecclesia sancti Egidii in Styria“. Die erste urkundliche Erwähnung eines Ägidius-Patroziniums für Steyr ist vom 22. April 1275 überliefert, dieses Patrozinium (wie auch jenes des hl. Koloman) dürfte jedoch bereits früher existiert haben. Denn die Siedlung im Schatten der Styraburg war zu diesem Zeitpunkt bereits zu einer „urbs“ angewachsen und damit dürfte die Erbauung eines Gotteshauses bereits früher stattgefunden haben. Möglich ist auch, dass das 1174 erstmals erwähnte Ägidius-Patrozinium der früheren Grazer Pfarr- und späteren Domkirche ausgehend von Steyr von den Otakaren nach Graz gebracht wurde, nämlich als Ottokar II. (Otakar) Markgraf der Steiermark wurde. Auch die zweite urkundliche Erwähnung von 1287 nennt u. a. wieder den hl. Ägidius als Patron, der besonders in der Nähe zu Flussläufen Verehrung findet.
Der gotische Neubau ab 1443
Der durch eine Feuersbrunst beschädigte Kirchenbau erwies sich bald als zu klein für die stark angewachsene Bevölkerung. So wurde 1443 vom Dombaumeister des Wiener Stephansdomes Hans Puchsbaum mit einem Neubau begonnen, den er bis 1454 leitete. Die Planungen belegen die bis heute erhaltenen Entwürfe. Kriegsereignisse und religiöse Wirren unterbrachen die Bauarbeiten einige Male auf längere Zeit, was Änderungen der Puchsbaumschen Pläne zur Folge hatte. Nach 1454 leiteten Mert Kramschach (bis 1482), Wolfgang Tenk (bis 1513) und Hanns Schwettichauer (bis um 1525) die Bauarbeiten. Eine Vedute der Schedelschen Weltchronik wird traditionell als alte Ansicht der Stadt Steyr identifiziert. Das Gotteshaus zeigt bereits das gotische Chorhaupt (um 1470), Langhaus und Turm sind noch spätromanisch. Große Rückschläge für die Bauarbeiten bedeuteten insbesondere die Brände in den Jahren 1479 und 1522.
Spätere Veränderungen im 16. bis 18. Jahrhundert
Die darauffolgenden Aufbauarbeiten waren durch den Einfluss der evangelischen Lehre geprägt, denn in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts wirkten evangelische Prediger an der Stadtpfarrkirche Steyr, die Mehrzahl der Bürger hatte sich der Lehre Luthers angeschlossen. In dieser Zeit wurde die Kirche um die westliche Vorhalle erweitert, samt großem Doppelportal und Westempore (1554). Auch die Turm-kapelle und das bis heute verwendete Taufbecken stammen aus dieser Erweiterungsphase. Mit der Gegenreformation setzte die Barockisierung des Kirchenbaues ein (Stichkappentonnengewölbe der vier westlichen Langhausjoche, Kirchengestühl, Gemälde von Carl von Reslfeld).
Neugotisierung nach 1854
Ab 1854 förderte Adalbert Stifter als Landeskonservator die Neugotisierung der Kirche. Die barocke Ausstattung wurde weitgehend entfernt und durch neugotische Einrichtungen ersetzt, die bis heute wesentlich den Eindruck des Innenraumes der Pfarrkirche bestimmen. Als 1876 der barocke Turmhelm abbrannte, war das die Gelegenheit, den gotischen Charakter der Stadtpfarrkirche zu vervollkommnen. So errichtete man 1889 den heutigen steinernen Helm, der dem Türmchen der Margaretenkapelle nachempfunden ist und nach Plänen von Friedrich von Schmidt, dem Wiener Dombaumeister und Erbauer des Wiener Rathauses, ausgeführt wurde. 1893 erfolgte die Erneuerung der barocken Krismann-Orgel, unter der maßgeblichen Mitwirkung von Anton Bruckner, der gerne auf der Orgel in der Steyrer Stadtpfarrkirche spielte. Nach der Renovierung der Margaretenkapelle in den Jahren 1977/78 erfolgte von 1983 bis 1993 eine umfassende Außenrestaurierung der Stadtpfarrkirche. Für eine großangelegte Innenraumrestaurierung wurde 2004 mit ausführlichen Bestandsaufnahmen begonnen, ab 2009 wurden die Sakristei, der historische Dachstuhl, die Beleuchtung und die Glasfenster restauriert. Die Ausmalung des sanierten Mauerwerks erfolgte in gebrochenem Weiß.